West­fä­li­sche Rauch­zei­chen #008

Sze­ne:
Ein Geh­weg aus gro­bem Kopf­stein, irgend­wo in West­fa­len. Zwei Män­ner leh­nen an einer nied­ri­gen Zie­gel­mau­er. Der eine trägt einen abge­wetz­ten Man­tel, der ande­re eine Schie­ber­müt­ze. Einer raucht eine Zigar­re, der ande­re redet. Bei­de blicken ins Nichts.

Der Erzäh­ler (tritt aus dem Schat­ten, spricht sach­lich, fast mecha­nisch):
„Zwei Män­ner am Rand der Welt. Sie reden nicht mit­ein­an­der, son­dern durch sich hin­durch. Was sie sagen, ist Deckung. Was sie schwei­gen, ist das Eigentliche.“

Der Reden­de:
„Gestern wie­der Brot ohne Kru­ste. Nur noch das, was übrig bleibt.“
(Pau­se.)
„Der Milch­mann war nicht da. Oder er war da und woll­te nicht klingeln.“

Der Rau­chen­de:
„Milch ist überbewertet.“

Der Reden­de:
„Sie sagen, das Gas kostet jetzt dop­pelt. Ich hab’s trotz­dem nicht bemerkt.
Es ist ein­fach nur kalt.“

Der Rau­chen­de:
„Wenn man sich nicht bewegt, friert man langsamer.“

Der Reden­de:
„Die Uhr in der Kir­che geht vor. Ich glau­be, absichtlich.“
(Blickt nicht rüber.)
„Kla­ra sagt, das sei ein Zeichen.“

Der Rau­chen­de:
„Viel­leicht geht auch die Zeit selbst vor.“
(Pau­se. Der Rau­chen­de schnippt Asche ab. Die Geste ist bedeu­tungs­los und end­gül­tig zugleich.)

Der Erzäh­ler:
„Was sie hier sehen, ist kein Gespräch. Es ist ein Pro­to­koll der Unru­he. Der eine redet, damit nicht auf­fällt, dass er nichts mehr glaubt. Der ande­re raucht, weil das Tun ohne Ant­wort die letz­te Wür­de ist.“

Ein lei­ser Wind.
Ein dump­fer Glockenschlag.
Asche fällt.