West­fä­li­sche Rauch­zei­chen #009

Er saß im Auto auf dem Park­platz des Super­markts. Die Son­ne stand tief, streif­te flach über die Dächer und leg­te lan­ge Schat­ten auf das gelb­li­che Pfla­ster. Es war die­ser Moment am frü­hen Abend, an dem ein lan­ger Tag lang­sam zur Ruhe kommt. Die Geräu­sche wur­den wei­cher, die Luft stand still, als hiel­te sie kurz die Luft an, bevor sie ganz ver­schwand. Der Park­platz leer­te sich. Ein paar letz­te Kun­den kamen mit kni­stern­den Tüten aus den Schie­be­tü­ren. Eini­ge war­fen im Vor­bei­ge­hen Blicke hinüber.

Das Fen­ster stand einen Spalt offen, aus sei­ner lin­ken Hand stieg lang­sam Rauch auf. Aus dem Radio kam Musik, die ein biss­chen nach Bruce Springsteen klang. Er saß im Auto, hör­te zu und rauch­te eine Zigar­re. Er hat­te nichts vor und woll­te auch nir­gend­wo hin. Zumin­dest nicht jetzt.

Er hat­te die Zigar­re noch nicht halb geraucht, als ein Strei­fen­wa­gen lang­sam über den Platz roll­te und in der Park­bucht neben ihm hielt. Kein Blau­licht, kein hek­ti­sches Manö­ver. Sie stell­ten sich ein­fach daneben.

Zwei Beam­te stie­gen aus – ein Mann, eine Frau. Er: rund­lich, Mit­te fünf­zig, leicht ins Hemd gewach­sen, rou­ti­nier­ter Schritt. Sie: sport­lich, bestimmt zehn Jah­re jün­ger, nicht ohne Aus­strah­lung. Er regi­strier­te sie, bei­läu­fig, wie man etwas bemerkt, das einem eigent­lich nichts angeht. Der Mann trat an sein Fen­ster, beug­te sich leicht vor und klopf­te ans Glas. Er wirk­te wie jemand, der den Tag schon län­ger mit sich her­um­schlepp­te, aber nicht müde genug war, unfreund­lich zu werden.

Er kur­bel­te das Fen­ster ein Stück wei­ter her­un­ter, nahm die Zigar­re aus dem Mund und sah den Beam­ten ruhig an. „Guten Abend“, sag­te der Poli­zist. „Alles in Ord­nung bei Ihnen?“ – „Sicher“, ant­wor­te­te er. – „Haben Sie hier jeman­den getrof­fen?“ – „Nein.“ – „War­ten Sie auf jeman­den?“ – „Ich sit­ze nur.“ Der Beam­te nick­te leicht. „Wie lan­ge schon?“ – „Nicht lan­ge“, sag­te er und sah in den Aschen­be­cher. „Etwa 4 Zentimeter.“

Die Beam­tin war inzwi­schen näher­ge­tre­ten. Sie sah kurz in den Innen­raum, dann zu ihm. „Wir haben einen Anruf bekom­men“, sag­te sie. „Ein Pas­sant hat sich gewun­dert, dass hier jemand schon so lan­ge steht.“ – „Ich ver­ste­he.“ Er sag­te das ohne Iro­nie. Dann zog er lang­sam an der Zigar­re und ließ den Rauch nach­denk­lich durch die Nase entweichen.

„Ist irgend­et­was vor­ge­fal­len?“, frag­te der Poli­zist. „Haben Sie einen Grund, hier zu sein?“ Er schwieg kurz, dann sag­te er: „Eigent­lich bin ich nur gera­de ger­ne hier. Ein­fach sit­zen, Musik hören und eine Zigar­re rau­chen. Solan­ge wie es eben dauert.“

Die bei­den Beam­ten schau­ten sich an. Es war kein rat­lo­ser Blick, eher ein stil­les Ein­ver­ständ­nis dar­über, dass die­ser Moment kei­ner war, aus dem noch mehr wer­den muss­te. „Na gut“, sag­te die Beam­tin. „Wir woll­ten nur sicher sein.“ – „Dan­ke“, sag­te er. „Gute Fahrt.“

Sie gin­gen zurück zum Wagen, stie­gen ein und fuh­ren ohne Eile vom Platz.

Er blieb noch eine Wei­le sit­zen. Die Son­ne war inzwi­schen ganz ver­schwun­den. Der Song im Radio war vor­bei, der näch­ste klang wie aus einer ande­ren Zeit. Er dreh­te das Radio aus, nahm den letz­ten Zug, stub­ste die Zigar­re vor­sich­tig in den Aschen­be­cher und lehn­te den Kopf gegen die Kopf­stüt­ze. Nur für einen Moment. Nur um zu hören, wie lei­se ein Park­platz sein kann, wenn die Welt zur Ruhe kommt.