Die Zigar­ren­re­gi­on Ostwestfalen

Eine Regi­on mit rau­chi­ger Geschichte

Ost­west­fa­len war einst eine Hoch­burg der deut­schen Zigar­ren­pro­duk­ti­on. Beson­ders die Städ­te Bün­de und Lübb­ecke spiel­ten eine zen­tra­le Rol­le in der Her­stel­lung hand­ge­fer­tig­ter Zigar­ren. Auch in Her­ford, Bad Oeyn­hau­sen und Löh­ne ent­stan­den bedeu­ten­de Zigar­ren­ma­nu­fak­tu­ren. In einer Zeit, in der die Cigar­re nicht nur ein Genuss­mit­tel, son­dern auch ein wich­ti­ger Wirt­schafts­fak­tor war, präg­ten sie die Regi­on – ein kul­tu­rel­les Erbe, das bis heu­te nachwirkt.

Die Zigar­ren­pro­duk­ti­on in Ostwestfalen

Die Geschich­te der Zigar­ren­pro­duk­ti­on in Ost­west­fa­len reicht bis in die Mit­te des 19. Jahr­hun­derts zurück. Den Grund­stein leg­te Tön­nies Wel­len­siek, der am 4. Mai 1821 in Muckum als Sohn eines Heu­er­lings gebo­ren wur­de. 1836 zog er nach Bre­men, wo er bei der Fir­ma Him­mel­mann & Bur­dorf das Zigar­ren­hand­werk erlern­te und spä­ter in der Zigar­ren­fa­brik der Gebrü­der Kreym­borg arbei­te­te. Sein erster Ver­such, sich in Bre­men selbst­stän­dig zu machen, schei­ter­te. Doch Wel­len­siek gab nicht auf: 1843 kehr­te er nach Enni­g­loh zurück und wag­te mit Tabak, den er aus Bre­men mit­ge­bracht hat­te, einen neu­en Anlauf – dies­mal mit Erfolg.

Nach weni­gen Jah­ren zog er mit sei­ner wach­sen­den Manu­fak­tur nach Bün­de in das grö­ße­re Haus des Tabak­fa­bri­kan­ten Mey­er in der Esch­stra­ße 22. Sei­ne Zigar­ren fan­den schnell Abneh­mer, dar­un­ter die Fir­men Gebr. André (Osna­brück), Stein­mei­ster & Grau­han (Hagen) und Theo­dor Rocholl (Min­den). Der Durch­bruch gelang ihm 1856, als er sich mit August Fer­di­nand Stein­mei­ster zusam­men­schloss. Das jun­ge Unter­neh­men flo­rier­te, und die Umsät­ze stie­gen von Jahr zu Jahr. Wel­len­sieks Pio­nier­geist leg­te damit den Grund­stein für die rasch wach­sen­de Tabak­in­du­strie in ganz Ostwestfalen.

1863 grün­de­te der gelern­te Kauf­mann August Bla­se in Lübb­ecke die Zigar­ren­fa­brik August Bla­se. Begon­nen mit fünf Mit­ar­bei­tern, wuchs das Unter­neh­men rasch: Zum 25-jäh­ri­gen Jubi­lä­um beschäf­tig­te es bereits 300 Per­so­nen. Unter der Lei­tung sei­ner Söh­ne Wil­helm und August Bla­se expan­dier­te die Fir­ma wei­ter, errich­te­te grö­ße­re Ver­wal­tungs- und Pro­duk­ti­ons­ge­bäu­de in Lübb­ecke und eröff­ne­te einen zwei­ten Stand­ort in Süd­deutsch­land. Zeit­wei­se pro­du­zier­te die August Bla­se AG rund eine Mil­li­on Zigar­ren pro Tag und war damit Deutsch­lands Markt­füh­rer. Bekann­te Mar­ken wie Ern­te­kro­ne, Dan­ne­mann oder Atlas stamm­ten aus ihrer Produktion.

Wirt­schaft­li­cher Auf­schwung und sozia­le Strukturen

Mit der wach­sen­den Zigar­ren­in­du­strie erleb­te Ost­west­fa­len einen wirt­schaft­li­chen Auf­schwung. Neben gro­ßen Fabri­ken ent­stan­den zahl­rei­che klei­ne Werk­stät­ten, und vie­le Fami­li­en ver­dien­ten ihren Lebens­un­ter­halt als Heim­ar­bei­ter. Beson­ders Frau­en spiel­ten eine tra­gen­de Rol­le: Sie arbei­te­ten oft als Zigar­ren­rol­lerin­nen und sorg­ten mit geschick­ten Hän­den für die hohe Qua­li­tät der hand­ge­fer­tig­ten Zigarren.

Doch trotz des wirt­schaft­li­chen Erfolgs blieb die Arbeit anstren­gend und die Löh­ne nied­rig – ein Spie­gel­bild der dama­li­gen sozia­len Ver­hält­nis­se. Vie­le Arbei­ter waren auf Stück­lohn ange­wie­sen, und die Kon­kur­renz unter den Manu­fak­tu­ren war groß. Den­noch wur­de die Zigar­ren­in­du­strie zu einem wich­ti­gen Wirt­schafts­fak­tor, der Ost­west­fa­len über Jahr­zehn­te prägte.

Um 1900 erreich­te die Bran­che ihre Blü­te­zeit, und allein in Bün­de waren 1935 noch über 10.000 Men­schen in 258 Zigar­ren­fa­bri­ken beschäf­tigt. Doch in den 1960er Jah­ren setz­te der Nie­der­gang der tra­di­tio­nel­len Her­stel­lung ein. Vie­le Betrie­be muss­ten schlie­ßen, da sich der Markt wan­del­te und indu­stri­el­le Fer­ti­gungs­wei­sen die hand­werk­li­che Pro­duk­ti­on zuneh­mend verdrängten.

Tra­di­ti­on die bleibt

Trotz des Rück­gangs lebt die Zigar­ren­tra­di­ti­on in Ost­west­fa­len bis heu­te wei­ter. Noch immer gibt es drei Zigar­ren­fa­bri­ken, die die ein­sti­ge Bedeu­tung der Regi­on als Tabak­zen­trum bewah­ren. Auch tra­di­ti­ons­rei­che Geschäf­te zeu­gen von die­sem Erbe – nur weni­ge Schrit­te ent­fernt von den Orten, an denen einst die gro­ße Zigar­ren­in­du­strie Ost­west­fa­lens florierte.

Unser Club ver­steht sich als Teil die­ser lan­gen Tra­di­ti­on in Ost­west­fa­len.
Wir pfle­gen nicht nur die Kunst des genuss­vol­len Rau­chens, son­dern auch den Aus­tausch über die Kul­tur und Geschich­te der Zigar­re. In gesel­li­ger Run­de set­zen wir die alte Ost­west­fä­li­sche Zigar­ren­kul­tur fort – als bewuss­ter Gegen­pol zur Schnelllebig­keit der heu­ti­gen Zeit.

Bedeu­ten­de Unter­neh­men und Persönlichkeiten

  • Arnold André
    Gegrün­det im Jahr 1817, ist Arnold André heu­te der größ­te Zigar­ren­her­stel­ler Deutsch­lands. Das Unter­neh­men pro­du­ziert bekann­te Mar­ken wie »Club­master« und expor­tiert weltweit.
  • August Bla­se AG
    Die in Lübb­ecke gegrün­de­te Fir­ma expan­dier­te schnell und galt lan­ge Zeit als einer der Markt­füh­rer in Deutsch­land. Ihre moder­nen Pro­duk­ti­ons­me­tho­den setz­ten Maß­stä­be in der Zigarrenherstellung.
  • August Schu­ster
    Gegrün­det im Jahr 1909 von August Schu­ster, ent­wickel­te sich das Unter­neh­men zu einem bedeu­ten­den Akteur in der deut­schen Tabak­in­du­strie. Heu­te, über 110 Jah­re spä­ter, wird die Fir­ma in vier­ter Gene­ra­ti­on von der Fami­lie Schu­ster geführt. Die Fabrik pro­du­ziert wei­ter­hin Zigar­ren und Ziga­ril­los aus 100 Pro­zent Tabak und stellt Zigar­ren­ki­sten aus Holz selbst her. Die­se Bestän­dig­keit und das Fest­hal­ten an tra­di­tio­nel­len Her­stel­lungs­ver­fah­ren unter­strei­chen die tie­fe Ver­wur­ze­lung der Zigar­ren­kul­tur in Bünde.
  • Crü­well
    Bereits 1705 wur­de Johann Georg Crü­well als Rauch­ta­bak­fa­bri­kant erwähnt. Beson­ders bekannt ist das Crü­well-Haus, das die Fami­lie 1813 erwarb und als Tabak­fa­brik nutz­te. Auch heu­te exi­stiert ein Crü­well-Tabak­ge­schäft in Bielefeld.
  • Engel­hardt & Bier­mann
    Ursprüng­lich aus Bre­men stam­mend, eröff­ne­te die­ses Unter­neh­men 1867 eine Filia­le in Bün­de. Es trug maß­geb­lich zur Ent­wick­lung der ost­west­fä­li­schen Zigar­ren­in­du­strie bei und erlang­te natio­na­le Bedeutung.
  • H. Upmann
    Die aus Bie­le­feld stam­men­den Brü­der Her­mann Diet­rich und August Upmann mach­ten sich im 19. Jahr­hun­dert als Tabak­händ­ler und Ban­kiers einen Namen. 1844 grün­de­ten sie in Havan­na eine eige­ne Zigar­ren­mar­ke, die sich schnell zu einer der bekann­te­sten Pre­mi­um-Mar­ken für kuba­ni­sche Cigar­ren ent­wickel­te. Wäh­rend die Pro­duk­ti­on in Kuba statt­fand, pfleg­te die Fami­lie Upmann enge wirt­schaft­li­che Bezie­hun­gen nach Deutsch­land.
    In Bie­le­feld betrie­ben die Schwe­stern der Upmann-Brü­der ein renom­mier­tes Zigar­ren­ge­schäft. Heu­te gehört H. Upmann zu den legen­dä­ren kuba­ni­schen Zigar­ren­mar­ken und wird von Haba­nos S.A. vertrieben.
  • Schwe­ring & Has­se
    Die 1857 in Lüg­de gegrün­de­te Zigar­ren­fa­brik ent­wickel­te sich schnell zu einem der bedeu­tend­sten Arbeit­ge­ber der Stadt. Trotz der struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen in der Zigar­ren­in­du­strie konn­te sich das Unter­neh­men lan­ge hal­ten, bevor die Pro­duk­ti­on 1991 ein­ge­stellt wurde.
  • Stein­mei­ster & Wel­len­siek
    Gegrün­det in Bün­de, ent­wickel­te sich das Unter­neh­men zu einem der füh­ren­den Zigar­ren­her­stel­ler der Regi­on. Jahr­zehn­te­lang stand der Name für hand­werk­li­che Qua­li­tät und eine enge Ver­bin­dung zur Tabak­t­ra­di­ti­on Ostwestfalens.
  • Zigar­ren­fa­bri­ken in Lem­go
    Um 1900 war Lem­go ein wei­te­res Zen­trum der Zigar­ren­pro­duk­ti­on in Ost­west­fa­len. Neben drei grö­ße­ren Fabri­ken gab es zahl­rei­che klei­ne­re Betrie­be, die oft Heim­ar­bei­ter beschäf­tig­ten. Zu den bekann­te­sten Unter­neh­men gehör­ten Kal­be & Schöt­tel­drei­er, Emil Brodt­mann und Theo­dor Schmidt. Beson­ders her­vor­zu­he­ben ist August Schmuck (1862–1932), ein Tabak­ar­bei­ter und Poli­ti­ker, der sich für bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen in der Bran­che ein­setz­te und spä­ter selbst eine Zigar­ren­fa­brik gründete.

Archi­tek­tur und Kulturdenkmäler

  • Vil­la August Wil­helm Bla­se
    Eine pracht­vol­le Vil­la in Lübb­ecke, die die Wohl­stands­zeit der Zigar­ren­fa­bri­kan­ten widerspiegelt.
  • Deut­sches Tabak- und Zigar­ren­mu­se­um in Bün­de
    Ein Muse­um, das die Geschich­te der Tabak­in­du­strie dokumentiert.
  • Denk­mal »Die Zigar­ren­dre­he­rin« in Lüg­de
    Ein Denk­mal, das die Frau­en ehrt, die bis 1991 in Heim­ar­beit Zigar­ren herstellten.
  • Stein­mei­ster- und Wel­len­siek-Denk­mal in Bün­de
    Tabak­denk­mal der bei­den „Zigar­ren­ba­ro­ne“ August Stein­mei­ster und Tön­nies Wellensiek.
  • Zoll­amt Bün­de
    Seit 1930 die ein­zi­ge Zoll­stel­le Deutsch­lands, an der Steu­er­zei­chen für Tabak­pro­duk­te abge­ge­ben werden.

Quel­len­ver­zeich­nis