Von den Anfän­gen bis Heute

Die Zigar­re ist weit mehr als ein Genuss­mit­tel – sie ist ein Kul­tur­gut mit jahr­tau­sen­de­al­ter Geschich­te. Von den ritu­el­len Anfän­gen bei indi­ge­nen Völ­kern über ihre Ver­brei­tung nach Euro­pa bis hin zur heu­ti­gen Viel­falt hand­ge­fer­tig­ter Pre­mi­um-Zigar­ren hat sie Kul­tur, Wirt­schaft und Gesell­schaft geprägt.
Die­se Zeit­leis­te zeigt die wich­tigs­ten Mei­len­stei­ne, his­to­ri­schen Ent­wick­lun­gen und wirt­schaft­li­chen Zusam­men­hän­ge der Zigar­ren­welt – von Tabak­im­por­ten über Steu­ern und Zöl­le bis hin zur heu­ti­gen Pre­mi­um-Indus­trie – aus einer ost­west­fä­li­schen Perspektive.

Anti­ke Ursprün­ge und Indi­ge­ne Kulturen

Tabak hat eine jahr­tau­sen­de­al­te Geschich­te. Lan­ge bevor er Euro­pa erreich­te, spiel­te er in den Kul­tu­ren Mit­tel- und Nord­ame­ri­kas eine zen­tra­le Rol­le – als Heil­pflan­ze, Ritu­al­sub­stanz und frü­he Form des Genusses. 

  • um 2500 v. Chr.
    Die Maya begin­nen mit dem Anbau und ritu­el­len Gebrauch von Tabak.
  • ca. 800‑1200 n. Chr.
    Indi­ge­ne Völ­ker im nord­west­li­chen Ame­ri­ka rau­chen wil­de Tabak­ar­ten, beson­ders ver­brei­tet ist Nico­tia­na rusti­ca, eine stark niko­tin­hal­ti­ge Wildform.
  • 10. Jahr­hun­dert
    Die Maya rau­chen ers­te frü­he Zigar­ren („sik’ar“) aus in Blät­ter ein­ge­roll­tem Tabak.

Ver­brei­tung nach Europa

Mit den Rei­sen des spä­ten 15. und frü­hen 16. Jahr­hun­derts gelang­te Tabak erst­mals nach Euro­pa. Neu­gier, medi­zi­ni­sche Hoff­nun­gen und kul­tu­rel­le Miss­ver­ständ­nis­se präg­ten sei­ne frü­he Wahr­neh­mung und sei­nen raschen Siegeszug. 

  • 1492
    Kolum­bus’ Gesand­te beob­ach­ten den Tabak­kon­sum der Indi­ge­nen; ers­te Tabak­blät­ter gelan­gen nach Euro­pa und wer­den dort neu­gie­rig untersucht.
  • um 1493
    Rodri­go de Jerez, ein Beglei­ter von Kolum­bus, über­nimmt das Tabak­rau­chen von den Tai­no. Nach sei­ner Rück­kehr nach Spa­ni­en wird er wegen des „rau­chen­den Atems“ der Hexe­rei beschul­digt und inhaftiert.
  • 1530–1550
    Spa­ni­sche und por­tu­gie­si­sche Händ­ler brin­gen Tabak zuneh­mend als Han­dels­wa­re nach Euro­pa; die Pflan­ze gilt zunächst als „Wun­der­mit­tel“ gegen Krank­hei­ten wie Migrä­ne, Pest und Magenleiden.
  • 1560
    Jean Nicot führt Tabak in Frank­reich ein; Niko­tin wird spä­ter nach ihm benannt, und der Tabak fin­det Ein­zug in medi­zi­ni­sche Anwendungen.
  • Spä­tes 16. Jahrhundert
    Pfei­fen­rau­chen eta­bliert sich in Euro­pa und wird Teil höfi­scher und bür­ger­li­cher Kul­tur, Tabak gewinnt zuneh­mend gesell­schaft­li­che Akzeptanz.

Kom­mer­zia­li­sie­rung und Manufakturen

Im 17. und 18. Jahr­hun­dert ent­stan­den die ers­ten Struk­tu­ren, die Tabak vom ritu­el­len Gut zum euro­päi­schen Han­dels­pro­dukt mach­ten. Plan­ta­gen, Manu­fak­tu­ren und glo­ba­le Han­dels­we­ge leg­ten den Grund­stein für die spä­te­re Zigarrenindustrie. 

  • 1618–1648
    Wäh­rend des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges ver­brei­tet sich das Rau­chen in Deutschland.
  • 17. Jahr­hun­dert
    Ers­te euro­päi­sche Tabak­un­ter­neh­men ent­ste­hen; Tabak­plan­ta­gen in der Kari­bik und in Vir­gi­nia wach­sen wirtschaftlich.
  • 17. Jahr­hun­dert
    Tabak wird in vie­len Kolo­ni­al­ge­bie­ten zur Par­al­lel­wäh­rung; Tabak­blät­ter die­nen in Tei­len Nord­ame­ri­kas und der Kari­bik als Zahlungsmittel.
  • 18. Jahr­hun­dert
    Kuba ent­wi­ckelt sich zum Zen­trum für hoch­wer­ti­gen Tabak­an­bau; ers­te Zigar­ren­ma­nu­fak­tu­ren entstehen.
  • 1788
    In Ham­burg wird die ers­te deut­sche Zigar­ren­fa­brik gegründet.

Indus­tria­li­sie­rung, Wis­sen­schaft und Kultur

Mit der Indus­tria­li­sie­rung ver­än­der­ten sich Her­stel­lung, Kon­sum und gesell­schaft­li­che Bedeu­tung des Tabaks grund­le­gend. Wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se, neue Maschi­nen und die Ent­ste­hung einer moder­nen Tabak- und Zigar­ren­kul­tur präg­ten das 19. Jahrhundert. 

  • Frü­hes 19. Jahrhundert
    Die Zigar­re ver­drängt Schnupf­ta­bak und wird zum Sta­tus­sym­bol des Bürgertums.
  • 1828
    Niko­tin wird von Pos­selt und Rei­mann iso­liert und erst­mals che­misch beschrieben.
  • um 1830
    Bauch­bin­den („Rin­ge“) ver­brei­ten sich, um Fin­ger und Hand­schu­he vor Tabak­fle­cken zu schüt­zen. Mit der Ver­brei­tung der Zigar­ren­rin­gen ent­ste­hen ers­te Markenästhetiken.
  • 1840er Jah­re
    Zigar­ren domi­nie­ren den Markt; ers­te güns­ti­ge Ziga­ret­ten aus Tabak­res­ten tre­ten als Kon­kur­renz auf.
  • 1853–1856
    Im Krim­krieg rau­chen Sol­da­ten Tabak in Papier, eine frü­he Vor­form der moder­nen Zigarette.
  • 1862
    In Dres­den ent­steht die ers­te deut­sche Zigarettenfabrik.
  • Mit­te bis Ende 19. Jahrhundert
    Mecha­ni­sie­rung der Her­stel­lung setzt ein; maschi­nel­le Zigar­ren ergän­zen hand­ge­fer­tig­te Premiumware.
  • Mit­te bis Ende 19. Jahrhundert
    Zigar­ren wer­den zu einem zen­tra­len Ele­ment männ­li­cher Gesel­lig­keit. Lese­zir­kel, Stamm­ti­sche und poli­ti­sche Salons gehö­ren eng mit Zigar­ren­kul­tur zusammen.
  • 1868
    Ein­füh­rung der Tabak­steu­er in Deutsch­land; Tabak wird ein wich­ti­ger staat­li­cher Einnahmefaktor.
  • 1881
    Erfin­dung der Zigarettenproduktionsmaschine
  • 1901
    »Gen­tle­men, you may smo­ke,« sag­te König Edward VII kurz nach sei­ner Krö­nung in Groß­bri­tan­ni­en, was Tabak­kon­sum gesell­schaft­lich akzep­ta­bel machte.
  • 1912
    Die deut­sche Ziga­ret­ten­pro­duk­ti­on erreicht 11,5 Mil­li­ar­den Stück.

20. Jahr­hun­dert – Wirt­schaft, Poli­tik und Gesellschaft

Das 20. Jahr­hun­dert war für Tabak und Zigar­re von star­ken Gegen­sät­zen geprägt: Mas­sen­kon­sum, poli­tisch moti­vier­te Regu­lie­rung, kul­tu­rel­ler Wan­del und ers­te wis­sen­schaft­li­che War­nun­gen form­ten eine Epo­che inten­si­ver Transformation. 

  • 1930er Jah­re
    Frau­en begin­nen ver­stärkt zu rau­chen; Wer­bung treibt gesell­schaft­li­che Akzep­tanz voran.
  • 1933
    In Deutsch­land wird das Maschi­nen­ver­bot für Zigar­ren ein­ge­führt, um die hand­werk­li­che Pro­duk­ti­on zu schüt­zen – das Ver­bot wird erst 1958 wie­der aufgehoben.
  • ab 1939
    Im Zwei­ten Welt­krieg wird Tabak ratio­niert; Rau­cher­kar­ten bestim­men den Konsum.
  • 1945–1949
    In der Nach­kriegs­zeit die­nen Ziga­ret­ten als infor­mel­le Zweit­wäh­rung; Schmug­gel boomt.
  • 1950er Jah­re
    Ziga­ret­ten gel­ten teil­wei­se als „leis­tungs­för­dernd“; Tabak­wer­bung pro­pa­giert gesund­heit­li­che Vorteile.
  • 1960
    Vor Aus­ru­fung des US-Embar­gos sichert sich JFK per­sön­lich tau­send H. Upmann Petit Coro­nas – einen Tag spä­ter tritt das Embar­go in Kraft.
  • 1960er Jah­re
    Nach der kuba­ni­schen Revo­lu­ti­on wan­dern vie­le Zigar­ren­pro­du­zen­ten in die Domi­ni­ka­ni­sche Repu­blik, nach Hon­du­ras und Nica­ra­gua ab.
  • 1966
    Die Zigar­ren­mar­ken Cohi­ba wird Gegrün­det, zunächst streng geheim nur für hoch­ran­gi­ge Funk­tio­nä­re und als diplo­ma­ti­sches Geschenk.
  • ab 1970
    Wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en bele­gen die gesund­heit­li­chen Risi­ken des Rau­chens, ers­te moder­ne Rauch­ver­bo­te folgen.
  • 1974
    Ver­bot der Tabak­wer­bung in Funk und Fernsehen.

Moder­ne Zigarrenkultur

Seit den 1990er Jah­ren erlebt die Zigar­re eine Renais­sance als Genuss- und Life­sty­le­pro­dukt. Glo­ba­le Märk­te, neue Her­kunfts­län­der und ein bewuss­te­rer Umgang mit Tabak prä­gen die heu­ti­ge Zigarrenkultur. 

  • 1990er Jah­re
    Der welt­wei­te „Cigar Boom“ beginnt; Zigar­ren wer­den wie­der zum Life­style-Pro­dukt; neue Mar­ken aus Nica­ra­gua und Hon­du­ras gewin­nen glo­bal an Bedeutung.
  • 2000er Jah­re
    Umfas­sen­de Nicht­rau­cher­schutz­ge­set­ze ent­ste­hen welt­weit; Tabak­steu­ern wer­den mas­siv erhöht.

Quel­len­ver­zeich­nis

  • Anti­ke und indi­ge­ne Kul­tu­ren: W. R. Bau­er, The Tob­ac­co Plant in the Anci­ent Ame­ri­cas, 2005; J. F. Chu­chi­ak, Anci­ent Tob­ac­co Use in Meso­ame­ri­ca, 2010; S. Tus­hing­ham, C. M. Sny­der, K. J. Brown­stein, W. J. Dami­tio & D. R. Gang, Bio­mole­cu­lar archaeo­lo­gy reve­als anci­ent ori­g­ins of indi­ge­nous tob­ac­co smo­king in North Ame­ri­can Pla­teau, Jour­nal of Nor­thwest Anthro­po­lo­gy, 2018 – Link
  • Anti­ke und indi­ge­ne Kul­tu­ren: W. R. Bau­er, The Tob­ac­co Plant in the Anci­ent Ame­ri­cas, 2005; J. F. Chu­chi­ak, Anci­ent Tob­ac­co Use in Meso­ame­ri­ca, 2010
  • Kolum­bus & Rodri­go de Jerez: Deutsch­land­funk, „Vor 525 Jah­ren: Kolum­bus und der Tabak“ – Link ; Wiki­pe­dia, Geschich­te des Tabakkonsums 
  • Tabak in Euro­pa: Wiki­pe­dia, „Nico­tin“ – Link ; T. Mül­ler, Tob­ac­co in Ear­ly Modern Euro­pe, 2012
  • Kom­mer­zia­li­sie­rung & Manu­fak­tu­ren: H. Good­man, Tob­ac­co, Trade and Colo­nies, 2008; M. S. Mar­tí­nez, Haba­nos: Histo­ry of Cuban Cigars, 2016; Wiki­pe­dia, „Zigar­ren­pro­duk­ti­on in Deutsch­land“ – Link
  • Indus­tria­li­sie­rung, Wis­sen­schaft & Kul­tur: Pos­selt, Rei­mann, Anna­len der Che­mie, 1828; M. G. Bro­dy, Indus­tria­liza­ti­on of Tob­ac­co, 1995; Deut­sches Steu­er­recht, His­to­ri­sche Doku­men­te, 1868
  • Frü­hes 20. Jahr­hun­dert: G. F. Car­ter, The King and Tob­ac­co, 2003
  • 20. Jahr­hun­dert – Wirt­schaft, Poli­tik & Gesell­schaft: Elmun­do Arti­kel, „Cuba: JFK orders cigars“ – Link ; K. Schu­bert, Tob­ac­co in War, 2001; S. L. Smith, Women and Tob­ac­co in the 20th Cen­tu­ry, 2010; WHO, Tob­ac­co and Health, 1972 ff.; Deut­sches Gesetz zur Ein­schrän­kung der Tabak­wer­bung, 1974; WHO, Glo­bal Tob­ac­co Con­trol Reports, 2000er Jahre
  • Moder­ne Zigar­ren­kul­tur: T. K. Fisher, Cigar Boom: Life­style and Cul­tu­re, 2004; P. R. Lora, New World Cigars, 2015; World Cigars Fede­ra­ti­on Reports, 2020